Unsere‌ ‌Stellungnahme‌ ‌zur‌ ‌Umsetzung‌ ‌der‌ ‌EU-Urheberrechtsreform‌

Am 17. April 2019 hat das Europäische Parlament – trotz aller Bedenken und Proteste – die Urheberrechts-Richtlinie 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates bestätigt. Wir waren damals mit auf der Straße und haben gegen Artikel 13 – jetzt Artikel 17 –, Uploadfilter und Overblocking protestiert. Wir können die Entscheidung der EU-Abgeordneten nicht rückgängig machen, aber wir können versuchen, bei der Umsetzung konstruktiv Input zu geben, um die Probleme aus Artikel 17 abzumildern – besonders durch unsere Beteiligung an der an der öffentlichen Konsultation. Gleichzeitig sehen wir dabei die Chance, die Probleme des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) zu adressieren. Hier eine Zusammenfassung:

Schutz der Meinungsfreiheit

Um den Erfolg der Umsetzung der Richtlinie im Sinne des Schutzes der Meinungsfreiheit zu bewerten, wie dies auch im Punkt 12 der Protokollerklärung Deutschlands zugesichert wird, fordern wir: 

1. die Verpflichtung der Plattformen, sämtliche hochgeladenen und vorübergehend oder dauerhaft gesperrten Inhalte für einen hinreichenden Zeitraum zu speichern und Nutzer- und Forschungsorganisationen einen Zugang zu diesen sowie zu den Gründen der Sperrung in anonymisierter Form über eine API zu ermöglichen,

2. dass das Ausmaß des Overblockings durch Studien unabhängiger Institutionen anhand dieser Daten bewertet wird. Sollte sich das Overblocking als erheblich gegenüber den tatsächlichen Urheberrechtsverletzungen erweisen, sollen Ausnahmeregelungen erweitert und ein Eingreifen der EU in Betracht gezogen werden,

3. diese Verpflichtungen und Verfahren auch auf die Sperrungen durch das NetzDG anzuwenden. 

Genau wie in der Protokollerklärung erwähnt, fordern wir sämtliche zur Umsetzung benötigten Softwarewerkzeuge und Infrastrukturen offen und auf Basis von OpenSource Software bereitzustellen. 

Schutz vor Overblocking

Viele Experten haben die Grenzen von Uploadfiltern aufgezeigt. Es ist daher zu erwarten, dass auch erlaubte Inhalte in der Praxis gesperrt werden (Overblocking). Also fordern wir

1. technisch überprüfbare Kriterien für die Identifikation von Ausnahmen, wie sie in der Richtlinie definiert sind, also von Zitaten, Kritiken, Rezensionen, Karikaturen, Parodien oder Pastiches,

2. dass entsprechende Inhalte ausschließlich nach einer manuellen Überprüfung im Zuge einer Beschwerde gesperrt werden dürfen, 

3. die grundsätzliche Ausnahme von Livestreams.

Schutz vor Zensurheberrecht

In den USA sind Fälle bekannt, in denen die US-amerikanische Urheberrechtsrichtlinie seitens der Rechteinhaber genutzt wurde, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Richtlinie könnte gezielt missbraucht werden, um die Verbreitung kritischer Inhalte zu bremsen. Das ist vor allem zu befürchten, wenn vermeintliche Rechteinhaber keinerlei Risiko bei offensichtlich unbegründeten Meldungen tragen. Wir fordern deshalb die Haftung der Rechteinhaber bei fälschlicher Anmeldung der Rechte oder offensichtlich fälschlicher Meldung. Außerdem soll in diesen Fällen eine angemessene Entschädigung der gewerblichen Plattformnutzer vorgesehen werden.

Schutz der Werbeeinnahmen

Viele Kreative haben sich unabhängig von klassischen Verwertern und Verlagen Existenzen auf Plattformen wie YouTube aufgebaut. Diese sind sowohl durch das Overblocking als auch über die EU-Richtlinie hinaus durch die Demonetarisierung, also durch die Abschaltung der Werbung mit entsprechendem Ausfall der Einnahmen, bedroht. Ein Beschwerdeverfahren ist nicht effektiv, da im Fall von YouTube die meisten Werbeeinnahmen kurz nach der Publikation des Videos generiert werden. Deshalb fordern wir: 

1. Regelungen, die die gewerblichen Nutzer der Plattformen vor willkürlichem Verlust von Werbeeinnahmen schützen,

2. die Erstattung der verlorenen Werbeeinnahmen, sollten Inhalte entweder fälschlich gesperrt oder fälschlich demonetarisiert worden sein. 

Schutz von Foren

Verschiedenste Creative-Commons-Plattformen, zum Beispiel StackExchange, fallen wahrscheinlich unter die Regelung des Artikel 17, denn:

  • Beiträge von Nutzern in Fachforen erfüllen meist die für den urheberrechtlichen Schutz benötigte Schöpfungshöhe. Damit wären sie „urheberrechtlich geschützte Werke“ im Sinne der Richtlinie.
  • Die Definition eines “Dienstanbieters für das Teilen von Online-Inhalten“ ist in der Richtlinie zu unscharf .
  • Die Organisation und das automatische Vorschlagen von Beiträgen kann als “Organisieren und Bewerben” im Sinne der Richtlinie ausgelegt werden.  

Wir schließen uns deshalb der Forderung der Protokollerklärung Deutschlands an, Foren explizit auszuschließen.

Wir hoffen natürlich, dass unsere Stellungnahme bei der Umsetzung der Richtlinie durch das BMJV Berücksichtigung findet. Wir halten Euch auf dem Laufenden.