Ärzte und die Politiker können nicht vorschreiben, wie wir sterben wollen.

Wir treten für Selbstbestimmung auch am Lebensende ein und befürworten deshalb eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Jeder sollte frei über sein Leben selbst bestimmen können.

Zu diesem Thema gibt es viele Meinungen und interessante Perspektiven. Eine davon kommt von Helga Liedtke, Ansprechpartnerin der hessischen Kontaktstelle der Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Wir haben mit ihr gesprochen.

Die Humanisten: 2015 erließ der Bundestag das “Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung des Selbsttötung”. Hierdurch wurde es Ärzten und Sterbehelfern nahezu unmöglich gemacht, schwerkranken Menschen ein Abschied in Würde zu ermöglichen. Was bedeutete dieses Gesetz für Sie als Angehörige und Ihren Mann?

Helga Liedtke: Mein Mann ist leider schon vor fast 15 Jahren gestorben. Er konnte ohne “Hilfe” sterben. Er hat immer dafür gekämpft, dass jeder Mensch selbstbestimmt sterben kann. Es muss jedem Kranken möglich sein, sein Leben zu beenden, wenn es nicht mehr ertragbar ist.

Ihre Gesellschaft unterstützt Betroffene beim Ausfüllen rechtskräftiger Patientenverfügungen. Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf Ihre Tätigkeit? Welche Möglichkeiten haben Sie, um schwerkranken Menschen, die sich ein humanes Sterben wünschen, zu helfen? Welche rechtlichen Tücken gibt es beim Ausfüllen einer Patientenverfügung zu beachten? Für wen ist grundsätzlich eine Patientenverfügung zu empfehlen?

Eine Patientenverfügung müsste jeder Bürger haben, weil zu “gesunden” Zeiten festgelegt wird, was man sich am Lebensende wünscht. Das Ausfüllen einer Patientenverfügung ist ein guter Grund, mit der Familie, Freunden, etc. darüber zu sprechen, welche Vorsorgen, Bevollmächtigungen, Vollmachten zu treffen sind. Dass damit natürlich auch die Wünsche für den eigenen Tod besprochen werden, ist leider kein sehr angenehmes Thema.

Am 18. Juni 2012 wurde in Frankfurt auf die damalige Präsidentin der DGHS im Rahmen eines Vortrags über Sterbehilfe ein Anschlag mit Buttersäure verübt. Der Täter entstammte der Lebensrecht-Bewegung. Wie erleben Sie dies in Ihren eigenen Tätigkeit? Wurden Sie aufgrund Ihrer Tätigkeit für die DGHS selbst schon Opfer von Anfeindungen? Wie erleben Sie allgemein den Rückhalt der Bevölkerung für Ihre Arbeit?

Unsere frühere Präsidentin, Frau Elke Baezner, hat diesen “Anschlag” gut überstanden. Ich selbst bin noch nie angegriffen worden, vielleicht mal verbal, doch da kann ich mich sehr gut verteidigen.

Jeder soll seine eigene Meinung haben, doch von Ärzten und besonders von der Kirche lasse ich mir nicht vorschreiben, wie ich sterben will.

Zudem erfahre ich großen Rückhalt in der Bevölkerung – meistens mit der Bemerkung: “Ach ja, eine Patientenverfügung müsste ich dringend ausfüllen, aber ich habe ja noch so viel Zeit.”

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt aktuell über die Zulässigkeit des § 217. Welche Erwartungen setzen Sie in diese Verhandlungen?

Natürlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden in unserem Sinne erledigt.

Was würden Sie sich von der Politik wünschen? Was müsste sich ändern, um schwerkranken Menschen ein humanes Sterben zu ermöglichen?

Ich will an meinem Lebensende selbstbestimmt sterben, deshalb muss das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt werden. Ärzte und die Politiker können nicht vorschreiben, wie wir sterben wollen.

Frau Liedtke, vielen Dank für das Gespräch.